Erbrechen bei der Katze

   

Der folgende Artikel ist in vier Teilen auf meiner Facebook-Seite erschienen und steht hier mit einigen Ergänzungen nun dauerhaft und in einem Block zu lesen.

Wie angekündigt ein Beitrag zum Thema Erbrechen bei der Katze.
Tatsächlich ist Erbrechen eines der unspezifischsten, undankbarsten und häufigsten Symptome der Katze, das traditionell mit einer gewissen Grosszügigkeit betrachtet wird: Was eine Katze ist, das kotzt.

Erbrechen oder Regurgitieren?

Zunächst eine wichtige Unterscheidung:
Nicht immer, wenn der Katze etwas aus dem Gesicht fällt, ist es wirklich Erbrechen, es kann auch Regurgitieren sein.

Katzen regurgitieren sehr häufig, vor allem, weil sie viel zu grosse Futter-Portionen bekommen, die sie aus dem Napf viel zu schnell fressen können. Zu grosse Portion bedeutet für manche Katze mehr als 10-25g.
Beim Regurgitieren kommt das Futter nach relativ kurzer Zeit retour und sieht immer noch wie Futter aus. Die Katze scheint völlig unbeeindruckt und bereit, gleich wieder weiterzufressen – scarf&barf sagen die Amerikaner dazu.

Als erstes ist bei Katzen mit „Erbrechen“ also abzuklären, ob es tatsächlich Erbrechen oder doch eher Regurgitieren ist.

Die wichtigste Massnahme ist ein angepasstes Fütterungsmanagement: zahlreiche kleine Portionen über den Tag (und die Nacht) verteilt. Mit Activity Feeding muss die Katze dann auch noch Zeit und Arbeit aufbringen, um überhaupt an ihr Futter zu kommen. Mit den kleinen No Bowl Mäusen (Doc&Phoebes Indoor Hunting Feeder) geht das zum Beispiel wunderbar – auch im Garten. Natürlich eignet sich jede andere Version von Food Puzzle und Fummelbrett genauso – wichtig ist, dass es den Prozess von Futteraufnahme verlangsamt und die in einer Mahlzeit gefressenen Mengen reduziert.

Das Thema Regurgitieren hat sich damit – ausser es besteht aufgrund medizinischer Ursachen wie Missbildungen oder Ösophagitis – erledigt.

Im Gegensatz zum Regurgitieren befördert die Katze beim Erbrechen den Mageninhalt durch intensiv pumpende Bewegungen nach draussen. Einige Katzen beginnen vor dem Erbrechen auch zu jammern, speicheln, schmatzen und lecken die Nase. Ganz offensichtlich ist ihnen das Erbrechen viel unangenehmer als Regurgitieren. Es gibt viele Ursachen für Erbrechen – eine häufig als normal angesehene ist das Erbrechen von Haaren oder Gras.

Mit dem – zugegeben häufigen und oft auch ziemlich unspezifischen – Symptom Erbrechen wird bei der Katze viel zu grosszügig umgegangen.
Immer noch gilt die Annahme, Katzen müssten ihre verschluckten Haare, Haarbälle, Wollmäuse oder wie immer man das bezeichnen mag, von Zeit zu Zeit erbrechen.

Im Grunde gibt es keine endgültigen Daten, ob und wie oft das (zum Beispiel bei Wildkatzen) normal ist. Aktueller Konsens aufgrund einer grossen Umfrage unter Katzenbesitzern gesunder Katzen ist:
für die Kurzhaar-Katze bis zu 2x/Jahr
für die Langhaar-Katze bis zu 4x/Jahr

Es gibt Katzen, die nie oder nur extrem selten Wollmäuse erbrechen. Im Normalfall verlassen die beim Putzen aufgenommen Haare in natürlicher Richtung mit dem Kot die Katze. Regelmässiger Zugang zu „Katzengras“ ist für diesen Prozess vermutlich hilfreich. Im Normalfall wird auch das Katzengras nicht oder nur sehr selten erbrochen.

Übelkeit macht Gras fressen.
Wenn die Katze viel Gras frisst und gleich wieder erbricht, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass sie schon einen guten Grund hatte, viel Gras zu fressen, weil ihr nämlich übel war und sie deswegen anschliessend erbricht.
Und nicht umgekehrt Gras macht Übelkeit.

Wenn Wollmäuse erbrochen werden, dann kann das zwei Hauptgründe haben: entweder kommen zuviel Haare in die Katze oder der Weitertransport im Magen-Darm-Trakt funktioniert nicht so wie er soll.

Es gilt also: jede Katze, die öfter als 2x (Kurzhaar) oder 4x (Langhaar) im Jahr eine Wollmaus erbricht, sollte tierärztlich untersucht werden.

Erbrechen bei der Katze – langsam wird es ernster.
Wie die Kommentare aus den beiden ersten Teilen zeigen, wird chronisches Erbrechen bei der Katze immer noch als normal, ist halt so, ist eh untersucht und nix gefunden, ist eben eine Kotzkatze, etc. abgetan und hingenommen.

Noch einmal: Erbrechen bei der Katze ist ein SYMPTOM und nicht normal!

Es gibt mehrere – zum Teil auch verständliche – Gründe, warum Katze = Erbrechen als normal angesehen wird:

  • Diesen Katzen geht es _scheinbar_ gut und sie werden auch alt.
  • Chronisches Erbrechen kann ein eher mildes Symptom sein.
  • Chronisches Erbrechen ist so häufig, dass man sich an das Symptom gewöhnt hat und es schon als katzentypisches Verhalten ansieht.
  • Katzen sind in ihrem Ausdrucksverhalten extrem subtil und ganz besonders lowgrade Schmerz und Übelkeit, vor allem, wenn sie nur episodisch auftreten, werden nicht erkannt.
  • Erbrechen ist ein ausgesprochen unspezifisches Symptom, das in der diagnostischen Aufarbeitung frustrierend sein kann.
  • Sehr viele Untersuchungen sind entweder ungezielt oder bringen nur vage, unspezifische Ergebnisse, woraus dann geschlossen wird: Die Katze ist gesund, weil sie (x) einen empfindlichen Magen hat, (x) weil das so ist, (x) weil Katzen einfach erbrechen, weil (x) ….

Zur Wiederholung: In der Diagnostik (eventuell auch noch) nichts zu finden, bedeutet nicht, dass Erbrechen kein Symptom und diese Katze perfekt gesund ist!

Mit der Untersuchung wurde entweder einfach nicht am richtigen Ort oder nicht mit den richtigen Methoden oder nicht genau genug oder nicht oft genug gesucht.

Häufige Ursachen für Erbrechen

Eine häufige Ursache für chronisches Erbrechen ist zum Beispiel die chronische Pankreatitis.
45% (!) der angeblich – scheinbar – gesunden Katzen und 67% der symptomatischen Katzen hatten in der Pathologie eine chronische Pankreatitis! Das sind rund die Hälfte aller „gesunden“ Katzen – zu denen ganz gewiss auch diejenigen gezählt wurden, die regelmässig erbrochen haben, aber ja „gesund“ ausgesehen haben.

Milde chronische Pankreatitis ist in der durchschnittlichen Diagnostik oder mit Laborwerten (auch die fPLI kann normal sein) nur schwer bis gar nicht nachzuweisen, nur eine Biopsie der richtigen Stelle wäre beweisend bei der lebenden Katze. Aber: diese Katzen haben tatsächlich immer wieder lokale, vorübergehende Bauchschmerzen und … Erbrechen. Diese Symptome nimmt ihnen aber keiner als solche ab, erkennt sie nicht oder ignoriert sie.

Weitere häufige Ursachen von Erbrechen liegen spannenderweise auch nicht im Magen (wie man glauben könnte) sondern im Dünndarm:
IBD und IBS: inflammatory bowel disease und irritable bowel syndrom – Chronische Entzündungen des Dünndarms oder Reizdarm sowie Lymphome. In einer Studie hatten 99 von 100 Katzen mit chronischem Erbrechen (2x im Monat oder öfter) eine Erkrankung des Dünndarms, ungefähr je zur Hälfte IBD und Lymphom.

Die wichtigste und am wenigsten invasive diagnostische Massnahme ist die Ultraschalluntersuchung. Die Dicke der Darmwand und Schichtenaufbau sollte an mindestens 5, besser 7 bis 8 verschiedenen Stellen gemessen werden.
Sowohl Entzündungen als auch Lymphom sind ausgesprochen segmental – nur kurze Abschnitte können betroffen sein und der Rest ist normal.

Neben den Ursachen im Verdauungstrakt kommt Erbrechen auch bei vielen anderen Erkrankungen der Katze vor.

Erbrechen und/oder Übelkeit sind häufig bei der nierenkranken Katze ein Symptom. Bei der Chronischen Nierenerkrankung (CKD – chronic kidney disease) sammeln sich eigentlich harnpflichtige Substanzen im Körper, die an den chemischen Triggerzonen im Gehirn Übelkeit und Erbrechen auslösen.
In dem Zusammenhang besonders wichtig ist, dass nicht jede Übelkeit auch zwingend zu Erbrechen führen muss. Also auch wenn die CKD-Katze nicht erbricht, schliesst das Übelkeit nicht aus. Vielmehr werden Katzen, denen schlecht ist, besonders „heikel“, fressen schlecht, zögerlich oder mit stark wechselndem Appetit.

Auch bei der zweiten häufigen Erkrankung der Seniorenkatze – der Hyperthyreose – ist Erbrechen in 30-45% der Fälle ein Symptom.
Für beide Erkrankungen gilt, dass der Gewichtsverlust allgemein und der Verlust an Muskelmasse im besonderen die Prognose und Überlebenszeiten verschlechtert.
Es ist daher gerade bei der älteren Katze ausgesprochen wichtig, nicht einfach irgendwelche Ausreden zu finden: ist jetzt halt älter/ist heikel/ hat schon immer schlecht gefressen/hat schon immer viel erbrochen/etc. sondern proaktiv auf die Suche zu gehen, woher chronisches Erbrechen und wechselnder Appetit kommen.

 

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