Tag 90, Meile 1706: OREGON! … und finish

Ein Schritt noch bis nach Oregon!

Am 25. Juli erreiche ich nach genau 90 Tagen die Grenze zwischen Kalifornien und Oregon!
Und inzwischen bin ich schon wieder seit einer Woche zuhause. Ich war so abgemagert, dass ich nach reiflicher und langer Überlegung beschlossen habe, meine Wanderung am PCT für dieses Jahr zu beenden und erst nächstes Jahr fortzusetzen …

San Francisco

Aber alles der Reihe nach:
Etna war mein bester Zero auf dem ganzen Trail! Es findet nämlich gerade das jährliche Blue Grass Festival statt und von Dave und Vicky bekomme ich eine Freikarte geschenkt. So verbringe ich mit Honoh einen entspannten Nachmittag im Park bei unheimlich guter Stimmung und Musik. Es gibt natürlich auch zu essen und Honoh erklärt mir, dass ich lernen muss wie ein echter Amerikaner zu essen: Es kommt nicht auf die Qualität an, es muss einfach nur viel sein! 

Monroe Crossing spielen Blue Grass


Aber ich fühle mich nach solchen Aktionen elend, kann nicht schlafen. Für binge-eating bin ich nicht geschaffen.

Fransig und unbekannt

Honoh packt am Sonntag schon früh zusammen und stellt sich an die Strasse, um zurück auf den Etna Summit zu kommen, wo der Trail weitergeht. Diese Bergstrasse ist sehr wenig befahren und Sonntag vor 6h früh ist nicht die beste Zeit zum hitchen. Wenn aber ein Auto kommt, dann wird man sicher mitgenommen.
Ich komme eine Dreiviertelstunde später nach und Honoh steht immer noch da – kein einziges Auto kam vorbei. Mein Rucksack steht aber kaum am Boden, als ein kleiner klappriger Toyota PickUp auftaucht und wir dürfen beide auf der Ladefläche mitfahren. Ziemlich frisch im morgenkühlen Fahrtwind!
Unser Fahrer macht dann auf der halben Strecke noch Pause, um sich sein Marihuana-Pfeifchen zu stopfen und ein paar Züge zu nehmen.
Aber um 7h sind wir am Pass und ausgekühlt von der luftigen Fahrt geht es gleich bergauf in die Marble Mountain Wilderness. Die Aussichten sind grossartig!

Black Marble Mountain – ein Kombination aus Kalk und Lava

 

Aussichten wie ich sie liebe

Am Paradise Lake richte ich nach 30 mi mein Nachtlager ein.
Die Portion Pürree kann ich grade so essen, nach dem Essen fühle ich mich schlechter als vorher.
In der Nacht denke ich das erste Mal drüber nach, die Wanderung in Ashland zu beenden – mittlerweile geht auch schon Muskelmasse verloren. Obwohl ich mich beim Gehen noch immer fit fühle und 30 mi kein Problem sind, merke ich, dass die Leistung langsam nachlässt.

Mountain Quails – die Küken sind alle schon versteckt

Sechs Falter auf einmal!

In Seiad Valley ist mein von Chester losgeschicktes Futterpaket unauffindbar, aber nach Ashland sind es nur zwei Tage, so dass ich mir ein paar verlockende Sachen im Shop einkaufe. Es gibt kaum mehr Sachen, die ich essen mag; vor allem, was man sinnvoll im Rucksack tragen kann, graust es mir. Die vermutliche Giardiainfektion verbessert meinen Appetit sicher auch nicht. Bei neuen Alternativen graust mir nachdem ich sie ein oder zweimal gegessen habe. Nur Pürree, Mac&Cheese oder Spaghetti gehen noch einigermassen – und Früchte!
Während am Abend bei 29° alle noch kurzärmlig herumsitzen muss ich meine Primaloft Jacke anziehen und im Schlafsack verkriechen, weil mir zu kalt ist …
Der Aufstieg von Seiad Valley zurück in die Berge ist berühmt-berüchtigt, weil lange (ca. 1500m) und heiss. Es ist noch dunkel als ich aufwache und so trödle ich etwas, bis es so hell wird, dass ich kurz nach 5h ohne Lampe losgehen kann. Die konstante Steigung ist angenehm zu gehen, es ist frisch und kühl. Schon lange bevor es warm wird, bin ich oben und die Aussichten auf die verschiedenen Devil Peaks sind grossartig. Auch Mt. Shasta ist wieder – immer noch – da und jetzt auch an der „richtigen“ Position im Süden, nachdem man ihn auf dem PCT beinahe umrunden muss. Zeitweilig taucht er sogar extrem frustrierend auf der linken Seite (!) auf, weil der Trail nach Süden anstatt nach Norden geht.
Der Rucksack ist zwar nicht mehr schwer, aber vor allem an der Rücken- und Schultermuskulatur habe ich viel Masse verloren und das Tragen bereitet das erste Mal seit Beginn Unbehagen und Schmerzen.
Mein letzter ganzer Tag am Trail beginnt langsam und zäh – noch 9 mi bis zur Grenze nach Oregon. Doch ganz plötzlich und unerwartet stehe ich vor dem Baum mit dem Schild – 1706 Meilen Kalifornien liegen hinter mir. Nur noch 962 Meilen bis Kanada … Der Trail in Oregon ist wunderbar gepflegt, mit wenig Steigung und auf weichem Boden. Und es fühlt sich so an, als wären die Meilen hier kürzer ;).
Noch eine letzte Nacht schlafe ich am Trail unterm Sternenhimmel und am Tag 91 in der Früh beschliesse ich an Callahans Lodge an der Interstate 5 aufzuhören.
Honoh hat mir an der letzten Trail Magic Kühlbox mit Register eine Nachricht hinterlassen, dass ich mit ihm eine Möglichkeit habe, nach Ashland zu kommen.
Und so bin ich nach einem halb gegessenen Frühstück (der Rest im Doggy Bag)  in der Callahan Lodge auch schon von Barb und Dick in den Truck und gleich anschliessend zu ihnen nach Hause eingeladen.
Barb versorgt Honoh und mich mit frischen Früchten und selbstgebackenen Cookies und wir diskutieren noch einmal meine Optionen – weitergehen oder nach Hause.
Letztendlich ist es mir wichtiger, die verbleibenden gut 900 Meilen durch Oregon und Washington in ebenso guter Verfassung wie durch Kalifornien zu gehen und nicht einfach nur „fertig“ zu machen, koste es was es wolle. Mental fällt das Aufgeben schwer, weil mir das Gehen immer noch grossen Spass macht. Aber das Wissen, dass ich körperlich ziemlich knapp vor einem Breakdown stehe und die zunehmende Wahrscheinlichkeit fuer feuchtes und kühleres Wetter machen es leichter. Barb und Dick haben mich schon eingeladen, nächstes Jahr bei ihnen zu wohnen, mich vom Flughafen abzuholen und an den Trail zu bringen. Der Einstieg in Oregon ist auch gut geeignet, um wieder eine gute Trail-Kondition aufzubauen.

Mule Deers

Rückblick auf meine letzte Etappe im Abendlicht

Oregon – viel Wald und von Pflanzen leuchtend rote Sandflächen

12 Kommentare

  1. wirklich eindrückliche landschaften!

  2. Liebe Fr.Dr. Schroll!

    Herzlichen Glückwunsch zu der zurückgelegten Strecke! Vielen Dank für die Reiseberichte und Bilder, ich habe sie mit Neugierde verfolgt. Und ganz, ganz herzlichen Dank dafür dass ich Dank der Erzählungen wirklich Lust gekriegt habe wieder mehr wandern zu gehen (werden unseren Urlaub in Osttirol verbringen- die Idee kam beim Lesen ihrer Reiseberichte). Lg von Julia, Felicitas und Thomas (Unterkunft- und Futterspender von Biene, Maya und seit Anf. Juni von Pixi-unserer Nachfolgerin von Murphy)

  3. Hallo Sabi,

    gratuliere zu Deiner Leistung, Oregon zu erreichen, und es war sicher die beste Entscheidung zu unterbrechen, um deinen Körper frisch auf zu tanken, um beim nächsten Start wieder fit zu sein.
    Bin sehr begeistert.

    Gruß Hans

  4. Wie immer wunderbare Fotos. Vielen Dank dafür und für die Berichte, die ich mit Spannung verfolgte. Ich bewundere Sie sehr für diese tolle Leistung und ich freue mich mit Ihnen, dass Sie die Reise zu einem anderen Zeitpunkt fortsetzen. Vielleicht machen Sie ja nicht nur das eine oder andere Katzenseminar sondern vielleicht auch mal einen Bericht über Ihre Reise. Mein Mann und ich kämen ganz sicher. Herzliche Grüße Ulli Werner

  5. Danke für den abschliessenden Bericht, der vieles erklärt und die Notwendigkeit einer Unterbrechung jedem klar verdeutlicht!
    Eine weise Entscheidung zu Gunsten der eignen Gesundheit.
    Ich freue mich auf deine Berichte im nächsten Jahr.

    herzliche Grüße
    Charlie

  6. HI Sabi

    Ich habe jeden Post aufgesaugt und war immer gedanklich bei dir (euch)!
    Aber die Gesundheit geht natürlich vor und es war bestimmt die richtige Entscheidung abzubrechen. Wenn ich könnte, würde ich dir gerne ein paar Kilos abgeben…
    Dann halt im nächsten Jahr! Ich bin dabei!

    Liebe Grüße
    Carsten

  7. Oh – Kilos könntest Du auch gern von mir haben ;))!

    Danke für deinen Endbericht und die tollen Fotos.
    Beeindruckend deine Reise, deine Stärke und deine Vernunft!
    Ich freu mich schon riesig auf deinen persönlichen Bericht.

    Hugs &kisses

  8. Den PCT auf 2 Jahre zu verteilen – sicher in diesem Falle eine gute Entscheidung.
    Ich wünsche Dir alles Gute – may the kilos stay with you next year 🙂

    Liebe Grüße
    hikingharry

  9. Hallo Sabine ! Gratuliere zu 1706 Meilen !!!!….und zur Entscheidung den Trail
    nächstes Jahr fortzusetzen ! Es war sehr spannend alles mitzuverfolgen und die Fotos
    sind wunderschön ! Wirklich eine sehr beeindruckende Leistung !

    Wünsche eine erholsame Zeit in der Steiermark und liebe Grüße !
    Elisabeth

  10. Hallo,

    habe deine Berichte auch mit großem Interesse gelesen. Schade, dass es mit der Ernährung am Ende doch nicht mehr so geklappt hat. Ging mir letztes Jahr genauso. Würde mich darüber gerne weiter mit dir austauschen.

    Grüße Enja

  11. Super Deine Leistung !! Gratulation !

    Freue mich schon auf ein Wiedersehen!! War vorige Woche ganz in Deiner Nähe :-))
    Ganz liebe Grüsse
    Wolf

  12. Hallo Wasabi!
    Endlich finde ich die Zeit, deinen Bericht zu lesen.
    Ich kann am besten nachvollziehen, was es bedeutet Kilos zu verliehren! Bei mir sind jetzt auch schon 12 weg! Doch zum Glück hab ich es da als Mann etwas leichter… ich hab mit weit mehr angefangen 😉
    Schade, dass wir uns seit Mt. Whitney nicht mehr gesehen haben, doch du warst einfach zu gut für mich… stets eine Woche voraus!
    Oregon war hart für mich, doch jetzt erhole ich mich bei Bratwurst und Bier!
    Ich hoffe Washington jetzt in weiteren 3 Wochen zu packen und werd auf Team Österreich anstoßen.
    Nächstes Jahr gehört dann dir 🙂
    Bin in Gedanken viel bei dir!
    Ganz liebe Grüsse aus Portland,
    Banana Pants

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